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Wie ruiniere ich mein Projekt erfolgreich?


Veröffentlicht am 23.10.2023 von STEFAN KUHARDT
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Eine Anleitung für das sichere Scheitern eines Projektes

 

Die Mehrzahl der Projekte, insbesondere der IT-Projekte, wird immer noch verspätet abgeschlossen, ist teurer als geplant und stellt nicht die vereinbarte Lösung bereit oder wird bestenfalls sogar abgebrochen. 

 

Aber nicht nur IT-Projekte glänzen so, sondern auch Bauprojekte können mit Verspätungen und Kostensteigerungen wunderbar mithalten. So dass, trotz aller Erkenntnisse, diese Gruppe den Olymp des Projektmanagement darzustellen scheint. Die wenigen Ausnahmen, die zur Zufriedenheit aller Stakeholder fertiggestellt werden, werden hier einfach ignoriert, denn: Dieser Artikel möchte den Wissbegierigen (m/w/d) unter uns einen Leitfaden mit Expertenwissen an die Hand geben, um zu dieser führenden Gruppe gescheiterter Projekte aufschließen zu können. 

 

Zuallererst ist ein gutes Ausgangsmaterial wichtig. Wenn unserem unerfahrenen Anwärter* (m/w/d) ein besonders innovatives Vorhaben mit neuen nicht erprobten Technologien in einem schwierigen kulturellen Umfeld angeboten wird, gilt es zuzugreifen. So eine Chance tut sich selten auf.  

Aber auch diejenigen unter uns, die nicht mit so geeignetem Ausgangsmaterial versorgt sind, brauchen nicht zu verzweifeln. Es lassen sich auch Projekte mit bereits erprobten Technologien und Vorgehen noch ruinieren.  

 

Für den Start sollte der angehende Misserfolgskandidat (m/w/d) darauf achten, dass ihm seine Aufgabe und das Ziel des Projekts nicht klar sind. Es ist unbedingt eine schriftliche Darstellung der Projektziele und Abstimmung mit dem Auftraggeber zu vermeiden. Sollte es doch passieren, dass dem werten Aspiranten (m/w/d) diese aufgezwungen werden, darf er sie gerne für sich behalten und sollte sie keinesfalls mit dem Team teilen. Es ist immer noch besser, dass nur eine Person Bescheid weiß, als das ganze Team.  

 

Der Kandidat hat mit unklaren und sich ändernden Zielbeschreibungen ein enorm wirkungsvolles Instrument in der Hand. Ergänzt er dieses noch durch das entschlossene Nichtbeachten von Konflikten und vollständiger Ignoranz der Kommunikation mit StakeholderInnen und seinem gesamten Team, kann er an dieser Stelle die Lektüre schon beenden. Es bestehen sehr gute Erfolgsaussichten, das Projekt zu ruinieren. Für diejenigen unter uns, die trotz intuitiver Begabung den Wunsch haben, sich tiefer einzuarbeiten, folgen weitere Handlungsempfehlungen. 

 

Die Unterstützung des Top-Managements etwa, insbesondere bei kleinen oder dringenden Projekten, wird völlig überschätzt. Der angehende Kandidat löst Projektprobleme alleine und benötigt 

keine Hilfe. Wahre Experten (m/w/d) auf diesem Gebiet lehnen sogar Hilfe ab und zeigen Entrüstung über die Einmischung.  

Um ein effektives Steuern des Teams zu verhindern und nicht den Eindruck der Beschäftigungslosigkeit zu erwecken, sollte der Kandidat sich intensiv mit der Verwaltung des Projekts mit Werkzeugen, vorzugsweise völlig überdimensionierten, beschäftigen. Denn er wird sie brauchen die Daten, Informationen und Auswertungen, um das Projekt erfolgreich zu sabotieren (hierzu später mehr).  

 

Der aufstrebende Misserfolgskandidat sollte sein Team zu anspruchsvollen und komplizierten Lösungen ermutigen. Negative Stimmungen und Konflikte im Team sind auf keinen Fall zu lösen. Es ist ja schließlich ein wichtiges Projekt. Die Menschen im Projekt sind bloße Nebensächlichkeiten. 

Hier könnten gerade harmoniebedürftige Kandidaten in die Versuchung geraten, einzugreifen. Der motivierte Anwärter sollte die Namensliste der Projektmitarbeiter, die ihm genannt wurde, sofort mit dem Begriff Team gleichsetzen.  

Streitigkeiten zu Beginn des Projekts sind sofort zu unterdrücken, um keinen unentschlossenen Eindruck beim Team zu hinterlassen und klarzustellen, wer der Projektleiter ist. Unser angehender Projektleiter hat alle getroffenen Absprachen und Entscheidungen im Kopf, sonst wäre er ja nicht zum Projektleiter gemacht worden. Es ist deshalb überflüssig, diese zu dokumentieren und sie den Beteiligten zugänglich zu machen. Sie vielleicht sogar noch mit Gegenlesen oder gar Prüfung zu belästigen. Wenn er es darüber hinaus noch schafft, die Lösung aller Probleme an sich zu nehmen und seinem Team nur mitzuteilen, wie es sie umzusetzen hat, wird es ihm das Team überschwänglich durch zunehmendes Desinteresse und Motivationsverlust danken.  

Schließlich belastet das eigenständige Erarbeiten von Lösungen das Team nur unnötig und könnte zur Nutzung aller Kompetenzen im Team führen. Diesen Zustand sollte der angehende Prüfling unbedingt vermeiden.  

 

Der Aspirant wird in die Lage kommen, dass man versucht, ihn von seinem Weg abzubringen und ihm Schulungen und Zertifizierungen anbietet.  

Zugegeben: das ist eine Gefahr, aber richtig angewendet kann sie für unsere Absicht sehr förderlich sein. Denn es ist gut, seine Gegner, sogenannte Projekt-Erfolgsfaktoren, zu kennen. Nur dann ist es möglich, sie bewusst zu vermeiden.  

 

Beneidenswert sind diejenigen unter uns, denen es sogar gelingt, aktiv das genaue Gegenteil, namentlich Misserfolgskriterien, zu betreiben. Die Kandidaten, die es zu wahrer Meisterschaft gebracht haben, holen sich Unterstützung von außerhalb dazu. Dieser Olymp des Misserfolgs ist allerdings nicht jedem zugänglich und erfordert harte Arbeit.  

Wenn es dem Aspiranten gelingt die Unternehmensführung davon zu überzeugen, dass eine ausreichende Ausstattung des Projektleiters mit Befugnissen nicht nötig ist, schnelle Entscheidungen zu vermeiden sind und das Team auf keinen Fall mit einer Perspektive für den weiteren Einsatz nach dem Projekt verunsichert werden sollte, hat er in ihr einen starken Partner gefunden.  

 

Sollte er bemerken, dass sein Team überlastet ist weil die Mitarbeiter nicht von Linienaufgaben befreit wurden, kann er sicher sein, auf dem richtigen Weg zu sein.  

Aktuelle Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zum Thema Lernen, etwa, dass Lernen unter Stress nur sehr reduziert möglich ist, sind als Banalitäten abzutun und vom angehenden Projektruinierer nicht zu berücksichtigen.  

Sein Team sollte immer eine gut gefüllte Warteschlange unerledigter Arbeit vor sich herschieben, um den nötigen Druck aufrechtzuerhalten.  

 

Sollte der Kandidat bemerken, dass es sich bei seinem Projekt um das Lieblingskind der Unternehmensführung handelt, kann er sich entspannt zurücklehnen. Die Gefahr, dass sein Projekt bei schlechten Zahlen rechtzeitig abgebrochen wird, bevor größerer Schaden entstehen kann, geht gegen null.  

 

Hier bildet sich ein weites Betätigungsfeld mit ausreichend Zeit, um so banale Aspekte wie Qualität, Zeit, Menschen und Kosten gründlich mit negativem Ergebnis zu versehen. Es besteht allerdings die Gefahr, dass Stakeholder doch noch vom wahren Zustand des Projekts vor dem erfolgreichen Scheitern erfahren und versuchen könnten es zu retten. Deshalb sollte der Aspirant die Projektmitarbeiter dazu ermutigen, sehr optimistische Berichte zu erstellen. Etwaige Zweifel beim inzwischen vielversprechenden Projektruinierer, dass die Berichte des Teams nicht mehr den Projektzustand widerspiegeln, sind nicht ernst zu nehmen.  

Um zu zeigen, wie gut er sein Projekt im Griff hat, sollte sein Bericht an den Auftraggeber unbedingt noch positiver als der seines Teams an ihn ausfallen. Denn es sind sowieso alles Schwarzmaler in seinem Team. Hat unser Kandidat Mitarbeiter entdeckt, die sich nur profilieren möchten oder von der Linie in seinem Projekt geparkt wurden, kann er sich bei den Göttern über diese glückliche Konstellation bedanken. 

Denn er braucht sein Team überhaupt nicht zu führen, da sie alle ausreichend mit sich selbst beschäftigt sind. Dieses „Führen durch Nichtführen“ ist ein anspruchsvoller Führungsstil. Wird unser Aspirant doch immer wieder in Versuchung geführt werden, die Linien-Emigranten in die Projektarbeit einzubinden und den Projektmitarbeitern Verantwortung für die Projekt oder sogar Unternehmensziele zu übertragen.  

 

Aber hier sei er gewarnt, um wirkliches Expertentum zu erreichen, muss er sich ganz auf sich und diese Anleitung verlassen und sollte warnende Stimmen ignorieren. Trotz der inzwischen erfolgsversprechenden Situation gibt es doch noch bedrohliche Maßnahmen, die unser bereits leckgeschlagenes und mit Schlagseite segelndes Projekt wieder aufrichten könnten.  

 

Unsere absolute Bewunderung verdienen die Experten, die jetzt ihren Joker ziehen, und die seit Projektbeginn durch Ignoranz und lückenhafte Informationen aufs Beste vorbereiteten Projektgegner aktivieren.  

Selbst die Erfahrensten sind immer wieder erstaunt über die phantasievollen Gerüchte und Sabotagen, die von dieser Gruppe ausgehen können, wenn man sie lässt. 

 

Ich hoffe, dass den bisher Ahnungslosen unter uns hiermit eine, wenn auch unbedeutende, 

Hilfe gegeben werden konnte, damit sie in Zukunft ihre Projekte systematisch und mit Freude ruinieren können. 

 

Stefan Kuhardt ist überzeugter Projektleiter 

und hat eine IPMA/GPM Level 

B Zertifizierung. 

 

 

 

*Ich benutze hier aus Gründen der Einfachheit 

und besseren Lesbarkeit folgend im Artikel nur eine Form. Das soll 

nicht der Ausdruck der Bevorzugung eines Geschlechts 

sein. Angesprochen ist stets m/w/d.